Alfred de Musset

1810 – 1857

 

 

                                                         In Übersetzungen von Emanuel Geibel

 

 

 

 

Trauer

 

Mein Leben, meine Kraft ist hin;

Mein Glück, die Freude, mir erkoren,

Sogar den Stolz hab’ ich verloren,

Der Welt zu zeigen, was ich bin.

 

Wie einer treuen Führerin

Hatt’ ich der Wahrheit zugeschworen;

Seitdem sie Kinder mir geboren,

Ließ ich auch sie, gesättigt, ziehn.

 

Doch Keiner, der sie je besessen,

Die ewig jung, wird sie vergessen,

Da er durch sie gereift zum Mann.

 

Mir selber ist von ihrem Lieben

Mein höchstes Lebensgut geblieben:

Daß ich zuweilen weinen kann.

 

 

*gemeinsam mit Heinrich Leuthold

 

 

 

 

Heimkehr

 

Den ersten scharfen Frost im Herbst, wie lieb’ ich ihn,

Wenn hart im Stoppelfeld des Waidmanns Tritte gehen,

Wenn auf gemähter Trift nach Beute ziehn die Krähen,

Und hell im alten Schloß aufflackert der Kamin!

 

Das ist die Zeit der Stadt. O, als sie jüngst erschien,

Als ich aufs neu Paris und seinen Rauch gesehen,

Des Louvre kuppeldach, die Pappeln und Alleen,

(Noch hör’ ich’s, wie vom Bock die Postillione schrien.)

 

Wie schien das Zwielichtgrau mir süß! Wie fürstlich zogen

Im roten Lampenglanz dahin der Seine Wogen!

Schon ahnt’ ich Winterlust, und dich, mein Leben, dich.

 

Mich trieb’s, in deinem Blick die Seele zu versenken,

Und stürmisch jauchzt’ ich auf. Denn, o wie konnt ich denken,

Daß gar so rasch, Madame, Ihr Herz erkühlt für mich!